08.08.2009

Grand Raid Cristalp 2009

Zum 20 jährigen Jubiläum des härtesten MTB-Rennen Europas wollten wir Thomas' Jugendtraum gemeinsam durchleben. Als er Mitte der 90iger Jahre gemeinsam mit Matze die regionale MTB-Juniorszene im Erz­gebirge aufmischte, setzen sich die spektakulären Bilder und Berichte aus den einschlägigen Bike-Zeitschriften im Kopf fest: „Blood, sweat & tears“ hieß der damalige Artikel über den Grand Raid Cristalp.
Wie so oft, war die sportliche Vorbereitung bei Thomas dem Berufsalltag zum Opfer gefallen und so war unser Motto: beißen und quälen, damit wir die Karenzzeit schaffen! Ich selber konnte von den „konservierten Radkilometern“ meiner 3-wöchigen Island-Radreise profitieren und war guten Mutes, dass wir das Rennen erfolgreich beenden würden. Matze ist durch seine doppelte Vaterrolle mittlerweile anderweitig eingespannt und kommt selten und dann „nur“ mit Oscar und Alwin im Kinderanhänger im Schlepptau auf das Rad. Aber dieses Zusatzgewicht seiner Zwillinge ist letztendlich kein schlechtes Trainings­mittel gewesen. Zu Ehren der Zwillinge starteten wir dann auch unter ihrem Namen: Matze als „Oscar Baier“ und Thomas und ich auf dem Tandem als „Alwin Baier“. Ja wer kann schon be­haupten, dass er mit einem Jahr den Grand Raid Cristalp gefahren ist.

Meine Erzählungen über meinem ersten Versuch, den Grand Raid 2006 bei Dauerregen und 10°C zu finishen, hatten bei Matze mentale Spuren hinterlassen. Er ging mit großem Radkurier-Rucksack an den Start, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Natürlich löste er damit eine Menge fragende und verdutzte Gesichter bei den anderen Teilnehmern und Zuschauern aus. Thomas und ich amüsierten uns köstlich darüber, waren aber über unseren „Sherpa“ Matze froh. Es war gut zu wissen, dass eine Rohloffkette, Kettennieter, Schläuche, Flickzeug, Regen­bekleidung, Brötchen etc. immer in Reichweite waren. Das Bruttogewicht von ca. 10 kg schien Matze auch nicht zu stören – Naja, ein „Sherpa“ muss schließlich auch immer fitter als seine Klienten sein.

Gut gerüstet rollten wir 6.30 Uhr in Verbier durch den Startbogen in den ersten langen Anstieg hinein. Dabei sahen wir gleich vier weitere Tandemteams vor und hinter uns. Dass es so viele „Bekloppte“ gibt, die auch diese unmenschliche Strecke mit dem Tandem fahren ... und sogar noch Mixed-Tandems dabei – RESPEKT! Obwohl uns 120 km und 5400 Höhenmeter bevorstanden, gingen wir gleich zügig ins Rennen, um mit den Karenzzeiten nicht in Konflikt zu geraten. In der ersten Abfahrt mussten wir unsere flotte Fahrt drosseln, da sich die Bremsscheiben schon vor Hitze verbogen und die Bremskraft nachließ. Daraufhin gingen wir die nächsten Downhills etwas verhaltener an, bzw. ich als Hintermann musste den ein oder anderen Downhill zu Fuß bewältigen.

Anfang der 2. Rennhälfte kam es nochmal zu einem schönen Schlagabtausch mit 2 anderen Tandemteams. Am Berg vor uns sahen wir plötzlich das eine Mixteam wieder, und kamen ihnen langsam aber sicher näher. Matze fuhr gleich mal vor und checkte das Tandem und den Zustand der beiden Mitstreiter. Thomas befürchtete schon die bevorstehende Attacke und betonte noch mal, dass wir ja eigentlich „nur“ ankommen wollten. Naja, bei mir als Hintermann und Matze war der Kampfgeist bei 100% - so dass wir das Mixteam am Berg überholten, auf der folgenden Gerade im Windschatten von Matze weitere Meter gut machten, durch die nächste Ver­pflegungsstelle jagten und Matze uns Essen und Getränke von der Verpflegungsstelle nachbrachte. Leider hatte das Mixteam auch separate Betreuer und ihre Kraftreserven waren größer – auch wenn der gegnerische Pulsmesser im Dauerton lief... Diese kraftraubenden Attacken führten dazu, dass Thomas langsam aber sicher einen langen Tunnelblick aufsetzte und der Jugendtraum zum Alptraum wurde. Als wir letztendlich die letzte Karenzzeit passiert hatten, begann die berüchtigte Schiebepassage bis auf den Pas de Lona (2787m). Das schwere und sperrige Tandem 500 Höhenmeter über unwegsame Gebirgspfade zu ziehen, schieben und zu heben, war mehr als grenzwertig. Oh Mann, was wir auf den Veranstalter und den Rest der Welt geflucht haben! Irgendwann oben angelangt war die Freude riesig, aber nicht von langer Dauer: 15 km Downhill ins Ziel – klingt gut, war es aber nicht. Ruppige und unrhythmische Abfahrten, gepaart mit großen Steinen und Steinstufen, wo dass Tandem noch ein-, zweimal mit dem Kettenblatt aufsetzte. Dazu unzählige Bachdurchquerungen und alles in Sichtweite einer herrlichen Asphaltstrasse, die sich entspannt in den Zielort Grimentz schlängelte. Nach 10 Stunden 56 Minuten erreichten wir endlich das Ziel.

Da soll sich noch mal einer beschweren, die Rohloff Mad East 500 wäre zu hart – die reinste Radtouristikfahrt dagegen. Und wir wurden inspiriert: 2010 wird bei der Rohloff Mad East 500 der berüchtigte Ski-Hang inklusive Downhill in Altenberg in Schleifen mehrmals befahren! Und wir werden das Mückentürmchen etwas aufschütten, so dass ein Pass von etwa 2700 Meter Höhe entsteht. Beschwerden sind direkt an das OK vom Grand Raid Cristalp zu senden!
Unser Fazit: Eine krasse Grenzerfahrung, top organisierte Veranstaltung, bestes Bikewetter, geile Trails und bei Wiederholungstat wahrscheinlich wieder eher mit dem Solorad, dann kann man vielleicht auch noch die letzte Abfahrt genießen.

Danksagung:
Ist unserem „Sherpa“ Matze gewidmet, besonders weil er auf der Strecke so manche verbale Ohrfeige bzw. Faustschlag einstecken musste. Selber Schuld, wenn er mit so guter Laune den Berg hochfährt ;-)